Neue Praxissitze – Ausschreibungen bleiben zahlenmäßig teilweise hinter den Erwartungen zurück
In manchen Regionen, vorwiegend im ländlichen Raum und in Ostdeutschland, wurden neue Vertragspsychotherapeutensitze geschaffen. Doch das Versorgungsproblem in den Ballungsräumen und in den Großstädten wird unverändert fortbestehen.
In den einzelnen Landes-KVen sind mittlerweile die neuen Bedarfspläne erstellt und veröffentlicht worden. Zum Zeitpunkt des Redaktions-Schlusses lagen einzig die Zahlen aus Niedersachsen noch nicht vor. In den KVen sind die Ausschreibungsverfahren im Gang, die ersten Sitzungen der Zulassungsausschüsse finden ab September statt. Unsere Mitglieder haben über unsere Mailinglisten und Verteiler bereits Übersichten über die Ausschreibungen in den einzelnen KVen erhalten.
Erfreulich ist, dass in den Regionen, in denen Neuausschreibungen stattfinden, zumeist vielfache neue Behandlungskapazitäten geschaffen werden können. Damit können Wartezeiten in den begünstigten Planungsbereichen vermutlich teilweise deutlich reduziert werden. Da mit der neuen Bedarfsplanung jedoch vorwiegend im ländlichen Raum und in Ostdeutschland neue Vertragspsychotherapeutensitze geschaffen wurden, wird das Versorgungsproblem in den Ballungsräumen und Großstädten unverändert fortbestehen. Besonders betroffen ist das Ruhrgebiet, das nur unwesentlich von neuen Sitzen profitieren wird, aber seit Beginn der Bedarfsplanung ungünstige Verhältniszahlen zugeschrieben bekam. In diesen Regionen bedarf es weiterer Konzepte, um Patienten mehr Versorgungsangebote machen zu können.
Überrascht hatte in einzelnen KVen, dass die Anzahl der auszuschreibenden Sitze teilweise deutlich hinter den ursprünglich erwarteten Ausschreibungs-Zahlen zurückblieb. Die geringeren Zahlen erklären sich zum einen damit, dass in einem ersten Zug Praxis-Partner bereits existierender Jobsharing-Praxen bevorzugt zugelassen wurden. Inwieweit allerdings Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen in die Berechnungen mit einzubeziehen waren, was im Ergebnis zu weniger tatsächlichen Neu-Ausschreibungen geführt hat, ist noch im Einzelnen zu prüfen. Einzelne Zulassungsausschüsse (z. B. Schleswig-Holstein) sind offenbar wie folgt vorgegangen: Sofern für einen bestimmten Planungsbereich in der Vergangenheit Sonderbedarf festgestellt wurde, sind diese Sonderbedarfssitze nun im Zuge der „Entsperrung“ einzelner KV-Bezirke in eine reguläre Zulassung umgewandelt worden. Die „Logik“ der Zulassungsausschüsse sieht in etwa wie folgt aus: Würden Sonderbedarfszulassungen bei (vorübergehend) entsperrtem Bezirk nicht umgewandelt werden, könnte eine „Überversorgung“ entstehen, wenn zusätzlich zu den Sonderbedarfszulassungen neue Sitze besetzt würden. Das möchten die Zulassungsausschüsse vermeiden. Im Einzelnen wird es kaum möglich sein, diese Entscheidungen der Zulassungsgremien abzuändern.
Bedarfsplanung weiterhin unzureichend
Ein Teil einer möglichen Lösung der Versorgungsproblematik liegt zunächst in einer zukünftigen Bedarfsplanung, die den tatsächlichen Bedarf einbezieht, um Wartezeiten regional spezifisch zu reduzieren. Mit den nun vorliegenden neuen Bedarfsplänen wird dieses Ziel leider nur zum Teil erreicht – die „neue Bedarfsplanung“ knüpft mit ihren Berechnungen unmittelbar an die bisherige Konstruktion von „Bedarf“ an. Diese Konstruktion ist jedoch sehr fragwürdig, wie bereits häufig kritisiert wurde. Die Bedarfszahlen für den Bereich Psychotherapie wurden Ende 1999 festgelegt. Zentrale Annahme des Bedarfsplanungs-Modells damals war, dass die Zahl der Psychotherapeuten, die sich zum Stichtag im Jahr 1999 in den verschiedenen Planungsbezirken niedergelassen hatten, bedarfsgerecht ist. Die Schwäche dieses Modells liegt darin, dass es de facto keine Bedarfsplanung, sondern eine reine Kapazitätsplanung darstellt (vgl. Interview mit Jürgen Wasem, Rosa Beilage 2/2013, S. 7 ff.).
Aktueller G-BA-Beschluss zum Sonderbedarf
Unmittelbare Ansatzpunkte für kurzfristig umsetzbare Verbesserungen der Versorgungslage bietet unseres Erachtens der aktuelle Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hinsichtlich des Sonderbedarfs. Der G-BA hat am 16. Mai 2013 eine Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie zum „Zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf und Sonderbedarf“ beschlossen, die am 4. Juli in Kraft getreten ist (www.g-ba.de/informationen/beschluesse/ 1716/). In Einzelfällen soll zukünftig die Möglichkeit bestehen, den zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf als Instrument zur Verbesserung der Versorgung einzusetzen. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen kann ab sofort einen zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf innerhalb eines Planungsbereiches in der vertragsärztlichen Versorgung feststellen, auch wenn in diesem Planungsbereich keine Unterversorgung im Sinne der §§ 27 bis 33 Bedarfsplanungs-Richtlinie vorliegt. Die Prüfung auf das Vorliegen eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfes wird dabei wie bisher auf Veranlassung der Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Landesverbandes der Krankenkassen oder einer Ersatzkasse angestoßen.
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Unseren Mitgliedern möchten wir zudem empfehlen, bei vorliegender lokaler Unterversorgung (Bedarfsanalyse bzw. Wartezeiten-Statistik) initiativ zu werden und entsprechende Anträge zu prüfen. Hinweise zur Antragstellung auf Sonderbedarf (Beispielsanträge, Rechtsprechungsübersichten etc.) erhalten Mitglieder des DGVT-Berufsverbands über die Bundesgeschäftsstelle (info(at)dgvt-bv(dot)de).
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Kerstin Burgdorf
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